Am Samstag des 2. Juniwochenendes im Jahr 1975 flogen über unserem Elbauegebiet wieder einmal – wie fast immer bei schönem Wetter – den ganzen Vormittag sowjetische Jagdbomber über Wartenburg.
In Richtung Galgholzbrücke hatten die sowjetischen Armeestreitkräfte einen LKW mit einer Raketenattrappe aufgestellt. Vier MIG 21 übten den Zielanflug auf diese Attrappe: im Sturzflug 30 m fast senkrecht runter durchstarten -wieder senkrecht nach oben.
Ein ohrenbetäubender Lärm, der den Schulunterricht und auch die Ruhe des gesamten Ortes extrem störte.
Gegen 11.00 Uhr beobachteten Schüler beim Sportunterricht, Mitarbeiter der Milchviehanlage und sicher noch viele andere Dorfbewohner, wie eine der MIG’s im Sturzflug nach unten ging, dann durchstartete und senkrecht wieder in die Höhe stieg. Plötzlich herrschte Stille. Die Maschine drehte einen kleinen Kreis und ging senkrecht nach unten und gleichzeitig löste - sich weithin sichtbar - ein Fallschirm. Ein unheimlicher Knall folgte.
Für alle Beobachter war klar: Hier ist gerade ein Flugzeug abgestürzt!
Unweit der Absturzstelle war der Wartenburger Otto Winkler mit dem Traktor beim Heuwenden. Durch die Motorengeräusche des Traktors hatte er nichts von alldem mitbekommen.
Karl Berthold, der den Absturz von der Milchviehanlage aus beobachtet hatte, war der erste, der den Damm überquerte in Richtung Absturzstelle. Schon am „Rosengarten“, der Buschreihe rechterhand, ca. 100 m hinter dem Damm, kam ihm der Pilot des verunglückten Düsenjägers entgegengelaufen. Er war offensichtlich wohlauf und wollte die durch Karl Bertold angebotene Hilfe nicht annehmen. Die Absturzstelle (fast schon Einstichstelle zu nennen) war durch einen ungefähr 1 Meter hohen Erdwall umrahmt, der durch die Wucht des Aufschlags erzeugt wurde. (Noch heute kann man starke Unebenheiten an dieser Stelle erkennen.)
Ca. 20 Minuten nach dem Absturz waren zwei Fahrzeuge der Sowjetarmee mit Offizieren vor Ort und weitere 15 Minuten später kamen die ersten LKW’s, voll beladen mit Mannschaften, um das Gelände abzuriegeln.
Bald begann innerhalb der abgesperrten Flächen eine fieberhafte Suche nach den in die Erde eingedrungenen Wrackteilen des Flugzeugs, im speziellen nach dem Flugschreiber. Ob mit oder ohne Erfolg ist nicht bekannt.
Die Verantwortlichen der sowjetischen Luftstreitkräfte holten technisches Gerät nach Wartenburg, um in der Elbauenerde zu wühlen.
Mit solchem (teilweise schwerem) Gerät auch in Wartenburg zu fahren, überforderte offensichtlich den Soldaten, der den mit Schiebeschild ausgerüsteten Traktor durch unseren Ort fuhr. Vielleicht war außer Übermüdung auch Alkohol im Spiel, jedenfalls fuhr er gegen die fast neue Hauseingangstreppe der Familie Steudte (Am Sand), die dabei zerstört wurde.
Zur damaligen Zeit ein herber Verlust, denn es war nicht möglich, einfach eine neue Treppe zu kaufen…
So ließ sich der Tischlermeister Karl Steudte nicht auf eine Erstattung der Kosten ein. Er machte den beiden Offizieren, die die Angelegenheit schnell regeln wollten, klar, dass niemand „über Geld in eine Wohnung gelangen kann“, sondern eine neue Treppe her muss.
Und so geschah es dann auch. Nach ungefähr zwei Wochen war der Schaden behoben und neue Treppenstufen ermöglichten wieder das unkomplizierte Betreten des Hauses der Familie Steudte.
Tage später erhielt Karl Berthold Besuch. Er wurde von oberster Stelle der Sowjetarmee instruiert, nichts zu wissen, nichts gesehen zu haben und nichts zu erzählen über diesen Vorfall. (Vielleicht wurde noch mehr Wartenburgern Bürgern die Schweigepflicht auferlegt…)
Übrigens sind in der Vergangenheit über unserem Elbauegebiet schon häufiger Militärflugzeuge niedergegangen. Zum Beispiel wurde 1944/45 in der Nähe der Bleddiner Mühle ein englischer Flieger abgeschossen, dessen Pilot per Fallschirm landete und anschließend gejagt wurde…